Blogbeitrag
Schüler:innenhaushalte in Österreich
Spinde oder freies W-Lan für alle? Selten dürfen Schülerinnen oder Schüler über solche Fragen entscheiden. SchülerHaushalte geben ihnen Mitsprachemöglichkeit bei Entscheidungsprozessen.
Eine Lerninsel oder freies W-Lan für alle? Selten dürfen Schüler:nnen über solche Fragen selbst entscheiden. Zwei erfolgreiche Schüler:innenHaushalte in Österreich zeigen, wie Jugendliche in die Ideenfindung und Abstimmung zu Verbesserungsvorschlägen an ihrer Schule eingebunden werden.
Die Geschichte der Schüler:innenHaushalte begann um 1990 in Brasilien in der im Nordosten gelegenen Stadt Recife. Sie wurde daraufhin von der Bertelsmannstiftung aufgegriffen und inhaltlich für Deutschland angepasst. [Update: Seit 27.8.2015 finden sich die gemachten Erfahrungen von deutschen und österreichischen Schulen auf schülerhaushalt.at.]
In einem mehrstufigen Verfahren wird dabei über die Nutzung eines von der Kommune zur Verfügung gestellten Budgets abgestimmt. Ideen sowie Verbesserungsvorschläge können von den SchülerInnen selbst eingebracht und diskutiert werden. In einer Wahl an der Schule mit Stimmzetteln und Wahlurnen wird dann über die beliebtesten Vorschläge abgestimmt. Diese werden abschließend in Kooperation mit dem Schulträger oder mit der Kommunalverwaltung umgesetzt.
Inhaltsstarke Ideenernte und breite Wahltbeteiligung
Der Erfolg gibt dem Partizipationskonzept Recht. Die SchülerInnen fühlen sich ernst genommen und in demokratische Prozesse eingebunden, während die Wahlbeteiligung weit über jener einer Nationalratswahl liegt. Die Verbesserungsvorschläge könnten unterschiedlicher nicht sein. Von Spinden über einen Volleyballplatz bis zu einem Döner-Imbiss wird fast alles eingebracht. Den SchülerHaushalten ist eines gemeinsam: sie erreichen alle Jugendlichen gleichermaßen und werden zu einem großen Teil von diesen selbst gesteuert. Sie stellen ein bedeutsames Instrument zur Mitbestimmung in der Schule dar und sind ein optimaler Weg für das Erlernen von Demokratie, der weder besonders viel Aufwand noch Kosten verursacht.
Vorreiter in Österreich: Nenzing und Bruck/Mur
In Österreich haben zumindest zwei Schulen erfolgreich das Konzept von Schüler:innenHaushalten angewendet. Die Mittelschule Nenzing in Vorarlberg führte diesen im Jahr 2014 durch. Durch die eingereichten Vorschläge und die Abstimmung erreichten die Schüler:innen, einen Beachvolleyballplatz anstelle der wenig genutzten Kugelstoßanlage am Schulgelände zu bekommen. Als Resultat des SchülerHaushalts erlangten sie außerdem, den provisorisch eingerichtete Gruppenraum im Obergeschoß der Schule durch eine vielseitig nutzbare Lerninsel ersetzen zu können. Es zeigte sich, dass ein Schüler:innenHaushalt für die Identifizierung von Bedürfnissen Jugendlicher grundlegend sein kann. Insbesondere dann, wenn Umbaumaßnahmen anstehen, würde sich ein solcher Beteiligungsprozess gut eignen, um Wünsche der SchülerInnen miteinbeziehen zu können.
In Bruck a. d. Mur befindet sich gerade die HAKIP in der finalen Phase eines solchen Partizipationsprojekts. Aktuell arbeiten die Jugendlichen an der Anschaffung eines zusätzlichen SchülerInnen-Druckers im zweiten Obergeschoß der Schule. Der Restbetrag des Budgets soll darüber hinaus in dem Kauf zusätzlicher Sitzgelegenheiten fließen.
Durch die Abstimmung über die Nutzung des Budgets gelingt es, den Anliegen der SchülerInnen nachzukommen. Die Realisierung von eigenen Ideen und Vorschlägen bewirkt, dass sich diese mit ihrer Bildungseinrichtung stärker identifizieren. Zusätzlich zeigte die Stadt- und Schulverwaltung, dass sie demokratische Prozesse bei Jugendlichen ernst nimmt. Dies wurde insbesondere durch den zur Verfügung gestellten Geldbetrag unterstrichen.
Gelebte Demokratie in der Schule
Die positiven Effekte durch das Recht auf Mitsprache wirken außerdem deutlich über die Grenzen der Bildungseinrichtungen hinaus. Durch einen SchülerHaushalt werden alle SchülerInnen gleichermaßen angesprochen und in einen demokratischen Prozess erlebbarer Politik eingebunden. Sie lernen dabei ihre Verantwortung als gestaltender Teil der Gesellschaft wahrzunehmen. Wenn also erreicht werden soll, dass sich Kinder und Jugendliche demokratisch verhalten und künftig an Entscheidungsprozessen teilnehmen, darf nicht lediglich über Demokratie gesprochen, es muss diese spürbar gemacht werden. SchülerHaushalte bieten zudem einen altersmäßig adäquaten Zugang zu Politik und Möglichkeit zur Mitbestimmung.
KnowHow zum Thema vermitteln
Nach Interviews, die ich an den beiden Schulen durchführte, arbeite ich aktuell an der Auswertung des Materials. Mit DIALOGPLUS werde ich in den kommenden Wochen das Wissen um die gemachten Erfahrungen zu SchülerHaushalten in Österreich über eine Website öffentlich zugänglich machen. Interessierte DirektorInnen, SchülerInnen, Eltern oder im Bildungsbereich tätige Menschen, wie auch Gemeinden oder Schulträger sollen mit diesen Informationen solche Demokratie fördernde Projekte einfacher durchführen können.
Update: Seit 27.8.2015 steht allen Interessierten die Internetseite www.schülerhaushalt.at zur Verfügung