Blogbeitrag
Lustvolle e-Partizipation
Offene Innovationsprozesse leben von den Teilnehmenden. Zu selten werden Beteiligungsprozesse designed, die mehr als nur das Abernten von Ideen sind, Lust auf Mitmachen ausstrahlen und dialogische Zusammenarbeit über Internet und vor Ort ermöglichen. Erfahrungen zu den Lustfaktoren von Beteiligung gibt es im deutschen Sprachraum genug.
Offene Innovationsprozesse leben von den Teilnehmenden. Zu selten werden Beteiligungsprozesse designt, die mehr als nur das Abernten von Ideen sind, Lust auf Mitmachen ausstrahlen und dialogische Zusammenarbeit über Internet und vor Ort ermöglichen. Erfahrungen zu den Lustfaktoren von Beteiligung gibt es im deutschen Sprachraum genug.
Abstimmungen und Ideenernten sind beliebt. In Form einer Blitzumfrage auf der Website einer Tageszeitung. Als Frage eines Unternehmens auf facebook, in welche Richtung es seine Produkte oder Services verbessern sollte. Einmal wird dabei das beliebtere Design für einen Sportschuh abgefragt, ein anderes Mal die beste Idee für ein neues Handyservice gesucht. Das Ad-hoc Mitmachen im Internet verspricht die rasche und breite Beteiligung. Anspruch auf eine nachhaltige Zusammenarbeit haben diese Angebote oft nicht. Laufend mit neuen Inhalten, Design oder Logik versehen, wird um die Aufmerksamkeit der Internet-NutzerInnen gebuhlt. Aber was davon sind Zeitdiebe und welche Angebote haben tatsächlich Potenzial zur Mitgestaltung? Den Aussagen von Beteiligungsinteressierten nach zu schließen, können solche unverbindliche „Mitmach-Quickies“ wie Umfragen und Wettbewerbe sehr rasch ein ähnliches Schicksal wie Werbebanner im Internet ereilen und von NutzerInnen bewusst ausgeblendet werden.
Faktoren für lustvolle Partizipation
Online Beteiligung kann heute weit mehr als eine Momentaufnahme sein bzw. Mittel zum Zweck, um Menschen zu mehr Klicks zu motivieren. Das Potenzial für lustvolle und dialogische e-Partizipation zu heben, will aber auch gelernt sein. Erkenntnisse aus der Erforschung über Trolle – also Menschen, die keine konstruktiven Beiträge leisten – zeigen, dass klassische Forenlogik den Wunsch zur persönlichen Richtigstellung (SIWOTO-Effekt) wie auch der Enthemmung (Online-Disinhibition-Effect) fördert. Das Anzeigen der neuesten Beiträge befeuert die Motivation von VielschreiberInnen und die Qualität tritt in den Hintergrund.
Alte Forenlogik durch besser sichtbare Debatte ersetzen
Eine neue Art von Online-Diskursen stellt Argumente, Zusammenhänge, Pro- & Contra-Standpunkte wie auch den Wert des Beitrags mit Hilfe der TeilnehmerInnen wie auch der Moderation viel stärker in den Vordergrund. Trolle können zwar ihrem Faible weiter nachgehen, treten aber deutlich in den Hintergrund. Ein Beispiel wo dies gerade umgesetzt wurde, ist der Diskurs zur Olympiabewerbung der Stadt Berlin. Ein rascherer Überblick wie auch unkomplizierterer Einstieg in die Debatte ist das Ziel.
Crossmediale Einbindung von Teilnehmenden
Ein weiterer Faktor für lustvolle Partizipation ist neben einer professionellen Moderation die verantwortungsvolle Einbindung von BenutzerInnen. Die Methode des Bürgerforums der Bertelsmann Stiftung zeigt erfolgreich vor, wie Verschränkung von Offline und Online mit der Einbindung von BürgerredakteurInnen funktioniert. Crossmediale Partizipationsangebote, wie auch hierzulande eingesetzt bei der Wiener Charta mit Dialoggruppen oder einem Container vor Ort bei der Neugestaltung Schwedenplatz sprechen die Menschen dort an, wo sie sich aufhalten und holen sie in ihrem Grätzel, ihren Gruppen und im Internet ab. So können Beteiligungsprozesse erfolgreich auf die unterschiedlichen Aufenthaltsorte on- und offline reagieren.
Zufallsstichproben und offene Verfahren stellen Diversität sicher
Die Vielfalt der Teilnehmenden und damit der Beiträge gehört als Kernprinzip zu einem lustvollen und gelingenden Partizipationsverfahren. Losverfahren, die in den Anfängen unserer Demokratie weit verbreitet waren[1], wie sie in BürgerInnenräten oder eben auch im Bürgerforum vor Ort wie auch Online gelebt werden, erhöhen die Chance, durch die Teilnahme unterschiedlichster Zielgruppen zu qualitätsvolleren Lösungen zu kommen, die in Summe durch das Partizipationsdesign weitaus mehr als Einzelmeinungen, -Interessen oder –Fähigkeiten ergeben.
Wissen Zusammenführen macht Entscheidungen intelligenter
Unternehmen haben schon länger erkannt, dass durchdachte, transparente und nachvollziehbare Beteiligungsabläufe positive Effekte bei der Produktentwicklung oder in Prozessinnovation bringen. Nachgewiesen wurden diese in der partizipativen Arbeitsgestaltung und dem Wissensmanagement bereits vor vielen Jahren.[2] Jetzt scheint die Zeit reif, um diese Potenziale auch in der Zusammenarbeit mit BürgerInnen zu heben. Ob die Trassenführung einer Stromleitung eines Netzbetreibers, der Social Design Award für Stadtgestaltung oder die biochemische Erforschung von optimal gefalteten Proteinen – Wissen einzelner Menschen „berät“ Unternehmen, Forschung, Verwaltung und Politik von unten.
Die soeben fertig gestellte umfangreiche Analyse von kooperativen Planungsverfahren in Wien kommt ebenso zu dem Ergebnis, dass es mit dem Zusammenführen von Wissen (unterschiedliche PlanerInnen u.a.) statt der Wahl des relativ Besten (Planungsbüros) zur Vermeidung von Umplanungen kommt und die Identifikation der Teilnehmenden mit dem Ergebnis erhöht. Unter dem Titel #besserentscheiden versucht eine Initiative zur transparenteren Gesetzgebung in Österreich diese positiven Auswirkungen gerade zu heben.
Storytelling, Gamification und mehr gesucht
Das Beispiel von Foldit, deren „Spieler“ dazu beigetragen haben, die Auslösung von Aids bei Rhesusaffen zu entschlüsseln, zeigt sehr schön, wie mehrere hunderttausende Teilenehmende von dem spielerischen Zugang über 3D Puzzlevisualisierungen gepackt werden und an einer Lösung erfolgreich mitarbeiteten. Partizipationsangebote, die faszinieren, auch spielerisch hineinziehen, Geschichten erzählen und einen Mehrwert bieten, sind heute noch Mangelware. Erste Ansätze finden sich in den USA oder auch in der Stadtplanung. Aber auch dann ist die professionelle Vermarktung eine Grundvoraussetzung für eine entsprechende breite Bekanntheit samt Nutzungszahlen.
Rasche Rückmeldungen zu Umsetzungschancen
Als der Lustmacher schlechthin stellte sich in vielen Partizipationsverfahren die zeitnahe Rückmeldung von Umsetzungschancen heraus. Ein Punkt, der sich oft schwierig gestaltet, sobald Politik oder Management Entscheidungen oder langwierige Projektvorbereitungen treffen müssen. An der Technik jedenfalls sollte es nicht mehr scheitern, es gilt diese auf verantwortungsvolle und lustmachende Weise zu nutzen!
[1] Wählen, Losen und politische Gerechtigkeit – Plädoyer für einen „demokratisch-deliberativen pouvoir neutre“, Hubertus Buchstein, Zeitschrift für Politikwissenschaft, 2012, Heft 3, S.395ff
[2] Determinanten betrieblicher Innovation : Partizipation von Beschäftigten als vernachlässigter Einflussfaktor, 2007, Blume, Lorenz; Gerstlberger, Wolfgang