Blogbeitrag

Wie funktioniert digitale Partizipation?

Digitale und analoge Partizipation wurden zum Standard (C) DIALOGPLUS

Bürgerbeteiligung im Wandel: Erkenntnisse aus der Arbeitspraxis zu Pandemiezeiten.

Direkte Begegnungen waren 2020 von einem Tag auf den anderen nicht mehr erlaubt. Trotzdem sollte Bürger:innenbeteiligung weiterhin möglich sein. Die Stadt Wien hat mehrere digitale Tools ausprobiert, die auch nach der Pandemie hilfreich sein werden. Im Workshop „Partizipation in Zeiten von Covid-19“ wurden im Oktober 2020 die Erfahrungen aus der Praxis in Wien bewertet. DIALOGPLUS hat darüber mit Alexandra Rupp-Ebenspanger und Andreas Baur MA 21 Stadtteilplanung und Flächenwidmung, gesprochen.

Vorteile Sozialer Medien: Reichweite, Aktivierung

„Natürlich wünschen sich die Bürgerinnen und Bürger direkten Kontakt mit Formaten wie einer Stadtteilwerkstatt. Aber es ist uns dafür gelungen, über Soziale Medien viele Jüngere anzusprechen“, berichtet Rupp-Ebenspanger. Die Reichweite in der Ansprache ist ein großer Vorteil der Sozialen Medien. Man kann leichter andere Altersgruppen auf einen Prozess aufmerksam machen und aktivieren, allerdings wirkt Facebook wie eine Werbekampagne. Analoge Alternativen braucht es auch unbedingt. So haben sich etwa Rückantwortkarten auf Einladungsflyern bewährt.

An den Zugriffszahlen lässt sich Interesse und über Kommentare erste Eindrücke ablesen. Während bei Präsenzveranstaltungen die Menschen in der Regel mit Sorgen oder Zweifel kommen und Lob eher selten ist, ist das Bild in der digitalen Welt differenzierter.

„Umfassende und gut aufbereitete Information sind die Basis für jede Form der Beteiligung. Dazu bieten digitale Medien viele Möglichkeiten. Mit den sozialen Medien gibt es auch die Kanäle, um Menschen dort zu erreichen, wo sie ihre Informationen beziehen. Eine integrierte Projektkommunikations- und Beteiligungsstrategie nutzt möglichst viele unterschiedliche Wege, um BürgerInnen zu informieren und zu involvieren, sowohl digital als auch direkt vor Ort. Corona hat in der digitalen Kommunikation einen gewaltigen Fortschritt ausgelöst. Noch vor einem Jahr waren Videokonferenzen oder Chats für viele von uns Neuland, heute sind sie Teil des Portfolios. Jetzt braucht es auch Qualitätsstandards für diese Formate und eine gelungene Verschränkung mit anderen bewährten Methoden“, so auch Andreas Baur von der MA 21 Stadtteilplanung und Flächenwidmung.

Verlässlicher Datenschutz braucht Plattform der Stadt Wien

Eine große Herausforderung bei digitaler Beteiligung ist der Datenschutz. Die Stadt Wien hat diesbezüglich besonders strenge Richtlinien, die EU-weit existierenden Datenschutz-Vorgaben werden strengstens eingehalten. So wurde etwa eine Beteiligungsaktion mit einem Werkzeug eines externen Anbieters, das auch deutsche Städte einsetzen, kurzfristig abgesagt, weil die Datenschützer der Stadt Wien abgeraten hatten. Grund war eine Verschärfung des EU-weiten Datenschutzes ohne Übergangsfristen. Ziel muss daher sein, eine eigene Beteiligungsplattform mit eigenen Werkzeugen durch die Stadt Wien aufzusetzen, dazu Rupp-Ebenspanger: „Wir hoffen auf den digitalen Boost durch Corona, dass die Dringlichkeit gesehen wird. Für die Bürgerinnen und Bürger sind die strengen Richtlinien eine gute Nachricht, weil sie darauf vertrauen können, dass ihre Daten von der Stadt Wien sorgsam behandelt werden.“

Webkonferenzen: bessere Dokumentation, geringere Interaktion

In einem professionellen Studio wurden Webkonferenzen erprobt. Im Unterschied zu Social Media sind die Menschen in dem Videoformat sichtbar. Schwierig wird es bei der Interaktion mit der gesamten Gruppe, berichtet Rupp-Ebenspanger. Beim Workshop wurde auch über die Erfahrungen bei der Zoom-Konferenz zur Thaliastraße diskutiert. Resümee: „Bei Präsenzveranstaltungen mit Thementischen finden mindestens zehn Gespräche gleichzeitig statt, die Bürger:innen reden mit den Stadtplaner:innen und genauso untereinander. In der digitalen Konferenz redet nur einer und alle anderen können nur zuhören. Das Aufteilen in einzelne Gruppen hilft etwas, spontane Gespräche sind eher selten möglich.“

Bei der Dokumentation von Veranstaltungen punkten dafür die digitalen Formate: Wer keine Zeit hat, kann das Video später anschauen. Die Teilnehmer:innenzahl ist genau bekannt. Alle besprochenen Themen und auch der Chat sind dokumentiert, während in der analogen Version die Kärtchen eingesammelt, geclustert und daraus erst ein Bericht erstellt werden muss.

Projekte Online weiterführen

Die Bereitschaft, eingefahrene Wege zu verlassen, ist spürbar größer geworden, denn allen Beteiligten war klar, dass nur mit Einsatz von digitalen Werkzeugen Projekte weiterbetrieben werden können. So präsentierten sich die Teilnehmer:innen eines Wettbewerbs im Rahmen einer physischen Ausstellung: Niemand war dort anwesend, aber Interessierte konnten mit einem Audio-Guide online die Ausstellung besuchen. Das Feedback zu diesem Format war positiv.

Breite und Tiefe ausbalancieren

Die Erfahrungen der Stadt Wien zeigen klar: Der Weg in digitale Beteiligungsformate ist eine Chance, denn die Mitwirkungsmöglichkeiten werden so vielfältiger. Wer will, kommt persönlich vorbei; wer keine Zeit hat – bzw. im Fall eines Lock Downs – beteiligt sich digital. Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen können angesprochen werden, von alt bis jung, von engagiert über wenig Zeit bis wenig motiviert. Verschiedene Formate und Prozesse passen sich besser an die Lebensrealität der einzelnen Menschen an und ermöglichen ihnen leichter mitzumachen. Aber auch in der digitalen Welt braucht es Moderation, um eine fokussierte und qualitätsvolle Diskussion zu erhalten. Ein Standard, der bei analoger Beteiligung selbstverständlich ist.

Ziel: Analoge und digitale Methoden verbinden

„Wir haben viel dazugelernt und kennen jetzt die Stärken und Schwächen der neuen Werkzeuge besser. Künftig möchten wir digitale Methoden mit analogen parallel nutzen, weil wir damit Menschen auf vielfältige Weise erreichen können“, resümiert Alexandra Rupp-Ebenspanger und fügt hinzu: „Ich bin Raumplanerin und weiß, dass man ein G´spür braucht für ein Gebiet, für die Menschen und die Stimmung dort. Videokonferenzen sind eine gute Ergänzung, aber wir werden auch zukünftig die Qualitäten und Stimmungen vor Ort im persönlichen Gespräch abholen.“