Blogbeitrag

Taktischer Urbanismus – Umgestaltung in Schritten

Viiiiel Farbe, Bänke, Tische, Bäume in großen Töpfen, Tischtennis und Fahrradbügel bzw. Fuß- und Radwege – das sind die Zutaten für den taktischen Urbanismus in Mailand.

Der „urbanismo tactico“, startete 2018 mit dem Programm „Piazze Aperte in ogni quartiere“. Dabei nominieren Bürger:innen Plätze in ihrer Nachbarschaft, die dringend eine Umgestaltung zu Gunsten Fuß, Rad und Aufenthalt benötigen. Die Mobilitätsabteilung der Stadt unterstützt mit AMAT, der Agentur für Mobilität und Umwelt, die Umsetzung über ein überschaubares Budget für eine temporäre und rasche Umgestaltung. Mit zahlreichen Nachbarschaften wurden so in den ersten Jahren 45 Plätze den Menschen ein Stück zurückgegeben. Nach einer Monitoring-Phase erfolgt die permanente Umgestaltung. Für etwa jeden vierten dieser Plätze wurde aus dem taktischen Ausprobieren eine permanente Neugestaltung. Ein Bericht der ersten Jahre zeigt die offenen Plätze in jeder Nachbarschaft im Vorher- und Nachher-Vergleich.

Offene Plätze für jede Nachbarschaft und jede Schule

Wegen des großen Erfolgs folgte 2022 die Erweiterung auf offene Plätze für jede Schule. Unter dem Titel „Piazze Aperte per ogni scuola“ stehen nun Umgestaltungen von Straßenräumen rund um Schulen im Fokus. Der Platz für Kinder, Eltern, junge Menschen und jeden aus der Nachbarschaft für ein gutes Miteinander wird in den historisch engen Stadtbebereichen wie auch in äußeren Bezirken stark nachgefragt.

Wie konnte die Veränderung in Mailand gelingen?

Die Rückeroberung des öffentlichen Raums war keine Selbstverständlichkeit. Denn in Italiens zweitgrößter Stadt machte noch 2005 KfZs und Motorräder/roller mehr als die Hälfte des Modal Splits aus. Demetrio Scopelliti, Leiter der AMAT, betont in seiner sehr motivierenden Präsentation die Kraft aus Unzufriedenheit, Visionen und ersten Schritten. Unzufriedenheit gab es in Mailand an vielen Stellen: täglicher Stau und Smog, zahlreiche Verkehrstote und immer größer und schwerer werdende Autos in der Stadt. In Kombination mit der Vision für nachhaltige Mobilität und den ersten Schritten über den taktischen Urbanismus war die Kraft für Veränderung stärker als die Widerstände. Etwas, das uns unserer Arbeit in Österreich gut bekannt vorkommt.

Via Argonne – buntes Aktivitätsband für die Nachbaraschaft

Viele taktische aber auch strategische Planungen wie neue Öffis mit der M4, die 2022 bzw. 2024 fertiggestellt wurde, unterstützen das sich verändernde Bewußtsein für den Umweltverbund mit Öffis, Rad und Fuß. Mit der 14 km langen U-Bahn von Südwesten nach Osten, vorbei an der Altstadt, wurde die Oberfläche mit Bäumen, Spielplätzen und Bereichen für Basketball, Fußball und Bocca ausgestattet. In der Via Argonne, einer historischen Straße mit Baumallee sieht man den Wandel zum viel genutzten „Aktivitätsband“ für die Nachbarschaft am deutlichsten. So entstand ein grünes Areal mit Fuß- und Fahrradweg, Spiel, Sport und Fitness.

Es schaut immer unmöglich aus, bis man es macht!

Als Francesca Galimberti uns am Nachmittag die Via Argonne zeigte, wo nun die Nachbarschaft diese Flächen, von denen etliche früher Parkplätze waren, intensiv nutzt, kam mir der Satz von Nelson Mandela wieder in den Sinn: „It always seems impossible until it’s done.“ Danke für die Inspiration wie auch die Organisation an die Lokale Agenda 21, mit der wir schon einige Taktiken umsetzen konnten.

DIALOGPLUS berichtet seit mehreren Jahren von den spannenden Fachexkursionen des Vereins Lokale Agenda 21 Wien. Zunächst wie Lyon den Menschen am Ufer der Rhône Platz zurückgab, dann über die Kultivierung des gemeinsamen Stadt-Machens in Amsterdam, gefolgt von Begegnungen mit mutiger Stadtpolitik in Ljubljana und dem partizipativen Entwicklen von Superblocks in Brüssel. Heuer nahmen wir in Mailand das co-kreative Stadt-Machen mit taktischem Urbanismus unter die Lupe.