Blogbeitrag
Menschen mit Mut für neue Wege
Wie geht man das Projekt einer autofreien Innenstadt an? Welche Verbesserungen bringt eine auf den Mensch zentrierte Stadtgestaltung? Und wie können solche Transformationen vom Zentrum in die Peripherie gebracht werden? Fragen, auf die wir in Ljubljana Antworten bekommen haben.
Für einen Blick über den Wiener Tellerrand zur nachhaltigen Entwicklung organisiert der Verein der Lokalen Agenda Wien für Stadtpolitik und Agendabüros Exkursionen. So berichtete ich bereits über Erkenntnisse aus Lyon, Amsterdam und Utrecht. Heuer ging es in unsere Nachbarland Slowenien.
Eine klare Vision stand zu Beginn
Wer kennt sie nicht, die alten Fotos aus den 70-er Jahren von Graben oder Stephansplatz mit vielspurigen Fahrbahnen und Parkplatz neben dem Stephansdom? Gleichsam zugeparkt war das Herz von Ljubijana sowie die Straßen an den Kanälen der Ljubljanica. Doch eine sehr menschliche Vision für die Stadtplanung gab es bereits in der Zwischenkriegszeit. Architekt Jože Plečnik, in Wien bekannt vom Zacherlhaus, entwickelte die damals neue Hauptstadt an zwei Achsen. Eine davon war von den Wasserstraßen Venedigs inspiriert. Human centered Urban Design hat es die UNESCO genannt. Diese Gedanken griff Architektur-Professor Janez Koželj auf, erkannte das Potenzial der Stadt für seine Bewohner:innen und Besucher:innen und setzte gemeinsam mit Bürgermeister Zoran Jankovic ab 2007 die „Vision 2025“ mit der autofreien Innenstadt als Kernelement um. Professor Koželj nahm uns mit auf einen Rundgang durch „seine“ Innenstadt.
Hochwertige Umsetzung und Anreize für Verhaltensänderungen
Die Umsetzung ging mit einer hochwertigen Gestaltung des öffentlichen Raums für die aktive Mobilität einher. Verbesserungen mit acht neuen Brücken für den Fuß- und Radverkehr oder hochwertiger Bodengestaltung mit Entwässerungsrinnen sind Anzeichen dafür. Ein unterirdisches Müllsammelsystem hält den neu gewonnenen Freiraum frei für Radabstellplätze, Schanigärten oder konsumfreie Bereiche mit Stadtmöblierung. Eine Sammelgarage wurde errichtet und die kostenfreien elektrischen Mikro-Busse „Kavalir“ erleichtern älteren Bewohnenden und bewegungseingeschränkten Menschen das Vorankommen in der Innenstadt.
Laufende Projektausweitung und Wasserwege als öffentlicher Nahverkehr
Mit den ersten Erfolgen im Zentrum wächst das Projekt nach wie vor. Das Radverleihsystem mit 5-10 Nutzungen pro Rad und Tag wird auf aktuell u.a. mit E-Bikes auf Außenbezirke ausgedehnt. Nach temporären Interventionen wurde auch die Hauptverkehrsachse der Stadt, Slovenska Cesta in eine Begegnungszone für den Bus-, Rad- und Fußverkehr umgestaltet. Und weitere Ausweitungen der verkehrsberuhigten Bereiche sind am Programm. Hinzu kommt die Schiffbarmachung des Kanalrings um die Altstadt für öffentliche E-Boote, berichtet uns Matic Sopotnik aus der Stadtverwaltung. Wo Erfolg, da auch höhere Nutzung. So werden künftig Busse für Touristen, die nur wenige Stunden in der Stadt sind, eine Gebühr von EUR 1.000.- zu entrichten haben. Der Versuch einer Steuerung für nachhaltigeren Tourismus in Ljubljana.
Der Umgang mit alten Gewohnheiten
Prof. Janez Koželj und Matic Sopotnik geben uns mit nach Wien visionäres Denken, konsequentes Vorangehen, Unterstützung alte Gewohnheiten zu verändern, den Dialog mit Bürger:innen und die Gewissheit, dass man es bei einer Entwicklung nicht allen Recht machen kann. Denn auch hier gab es etliche Stimmen, dass die Wirtschaft unter der Fußgängerzone, Verkehrsberuhigung oder Begegnungszone leiden wird, aber das Gegenteil hat sich bei den Geschäften gezeigt. 2021 gaben bereits 80% der Bewohner:innen der Innenstadt an, dass sich die Lebensqualität für sie in den letzten 15 Jahren verbessert hat.
In einem weiteren Blogpost berichten wir über die kollektive Stadtgestaltung vom Folgetag der Exkursion in Ljubijana.