Blogbeitrag

Ein Besuch im ‚Laboratory of the Future’

Wir nehmen euch mit ins "Laboratory of the Future" und berichten, was wir von der diesjährigen Architekturbiennale mitnehmen.

Als Gestalter:innen urbaner Veränderungsprozesse blicken wir alle zwei Jahre gespannt nach Venedig. Auch dieses Jahr gelang uns ein kurzer Abstecher zur Architekturbiennale. Ein paar Gedanken, die wir von der diesjährigen Ausstellung mitnehmen!

Ein Blick „zurück“ in die Zukunft

Der Titel der heurigen Schau ist eigentlich irreführend. Zwar geht es auch diesmal um zukunftsfähige, gerechte und nachhaltige Formen des Planens, Bauens und Zusammenlebens. Allerdings sind viele der dafür präsentierten Fragestellungen und Lösungsansätze nicht neu – sie wurden nur lange nicht wahrgenommen.

Kuratorin Lesley Lokko richtet als erste Schwarze Person1 und vierte Frau, die der Architekturbiennale vorsteht, den Blick auf Afrika und die Afrikanische Diaspora. Damit rückt sie in architekturtheoretischen und urbanistischen Diskursen häufig übersehene Positionen in den Mittelpunkt. Positionen, die das Konzept der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit lange vor ihrer Konjunktur in die Praxis umsetzten.

Participazione! Keine Beteiligung im österreichischen Pavillon

Auch der österreichische Beitrag rückt eine marginalisierte Position in den Mittelpunkt. Nämlich jenen von lokalen Initiativen, die sich seit Jahrzehnten gegen die touristische Vereinnahmung Venedigs und für ein Recht der Bewohner:innen auf ihre Stadt aussprechen. Der ehemals öffentliche „Giardini Pubblici“ wurde seit der Etablierung der Biennale sukzessive zugunsten des expandierenden Ausstellungsareals minimiert und durch eine Mauer vom dahinterliegenden Wohnviertel abgeschottet.

Das Architekturkollektiv AKT und das Atelier Hermann Czech bieten diesen Stimmen Raum im österreichischen Pavillon. Die Hälfte des Pavillons sollte an Bewohner:innen und Aktivist:innen abgetreten werden, begehbar durch ein durchgebrochenes Tor in der Mauer bzw. eine Brückenkonstruktion. Nach Ablehnung des Konzepts durch die Biennale und zuständige Behörden setzten AKT/Czech die bauliche Intervention in abgeänderter Form um. Die Fußgänger:innenbrücke wurde vom Innenhof des Pavillons bis zur Mauer gebaut. Dort endet sie und zeugt als Installation von der ungenutzten Möglichkeit, mit den Nachbarsquartier in Dialog zu treten.

Wer ist Agent:in von Transformation und Zukunft?

Lokko holt unterrepräsentierte Praktiker:innen und „agents of change“ vor den Vorhang. Damit verkompliziert sie das westlich geprägte Konzept der Stadt als Ort der Machtausübung, Kontrolle und Ressourcenmaximierung und macht den Blick frei auf „neue“ Formen kollaborativen, gemeinwohlorientierten urbanen Handelns.

Sehr greifbar wird dieses Verständnis zum Beispiel im Beitrag „The Nebelivka Hypothesis“. Archäologische Analysen einer 6000 Jahre alten Siedlung in der heutigen Ukraine zeugen nicht nur von einem äußerst geringen ökologischen Fußabdruck. Auch weisen Untersuchungen der baulichen Strukturen auf flache soziale Hierarchien und selbstverwaltete Nachbarschaften hin – Spuren einer herrschende Klasse wie Tempel, Paläste oder administrative Bauten sucht man dort vergeblich.

The Laboratory of the Past

Die heurige Architekturbiennale regt an, bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen nicht auf das große Archiv erprobter Ansätze aus Vergangenheit und Gegenwart zu vergessen. Was es dafür braucht, ist allerdings ein Erkennen ebendieser Lösungen. Wo diese gesucht und gefunden werden ist eine zutiefst politische Frage mit Auswirkungen auf unsere Zukunft.

  1. Wir benutzen den von Amnesty International und anderen empfohlenen diskriminierungssensiblen Begriff „Schwarze Menschen“, der auf eine von Rassismus betroffene Position und keine Eigenschaft Bezug nimmt. ↩︎