Blogbeitrag
Jakarta – eine sinkende Megacity
Mit über 33 Mio. in der Metropolregion ist Jakarta heute eine der größten Städte der Welt. Das bringt große Herausforderungen mit sich. Wir haben uns die Megacity und ihre Probleme und Lösungen für die Zukunft näher angeschaut.
Ein:e Urbanist:in macht niemals Urlaub – auch wenn wir in fernen Ländern mit fremden Sitten und unbekannten Menschen unterwegs sind, ziehen uns das Gewebe der Stadt und all seine Feinheiten sofort in den Bann. So auch auf meiner letzten Reise, die mich ans andere Ende der Welt nach Jakarta in Indonesien gebracht hat. Eine einzigartig spannende und lebhafte Stadt mit vielen Palmen und Orchideen – aber und vielen Herausforderungen für die Zukunft.
Megacity mit Megaproblemen
Mit über 11 Mio. Einwohner:innen in der Stadt und 33 Mio. in der Metropolregion ist Jakarta heute eine der größten Städte der Welt (vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1374387/umfrage/groesste-staedte-in-den-asean-laendern/). Das bringt große Herausforderungen mit sich: Neben täglichem Verkehrschaos, Smog, unkontrollierbarem Flächenfraß und Bevölkerungswachstum hat vor allem die mangelhafte Wasserinfrastruktur gravierende Auswirkungen.
Die Probleme der heutigen Megacity gründen in ihrer Geschichte. Jakarta wurde als niederländische Grachtenstadt im Sumpfgebiet errichtet. Kanäle, enge hohe Häuser, kaum natürliche Belüftungswege – keine idealen Bedingungen für eine tropische Stadt. Das Wasser der Kanäle war ein Sammelbecken für Krankheiten und Abfälle. Sauberes Trinkwasser war kaum vorhanden.
Mit der Entstehung des indonesischen Staates und dem Bevölkerungswachstum der Industrialisierung verschlimmerte sich die Situation. Die Errichtung der Infrastruktur kam dem Bedarf nicht hinterher. Das führte dazu, dass die Bevölkerung anfing Trinkwasser aus dem Grundwasser abzupumpen. Auch heute noch haben Dreiviertel der Bewohner:innen keinen Wasseranschluss. Viele sind gezwungen illegal Grundwasser abzupumpen oder Tankwagen zu bestellen. Das und die zunehmende Urbanisierung sowie Errichtung von Hochhäusern führte dazu, dass die Stadt begann zu sinken. In manchen Vierteln ist der Boden bereits um 10 bis 25cm abgesunken. Gleichzeitig verunreinigt der steigende Meeresspiegel die Trinkwasserreservoirs und überschwemmt regelmäßig Viertel am Meeresrand (vgl. https://www.deutschlandfunk.de/jakarta-versinkt-eine-stadt-graebt-sich-selbst-das-wasser-ab-100.html).
Zu viel und zu wenig Wasser
Zu der schlechten Trinkwasserversorgung kommt auch noch die problematische Abwasserentsorgung. Als Jakarta von den Niederländern angelegt wurde, konnten die Abwässer ins Meer bergab rinnen. In der heute abgesunkenen Stadt müssen die Kanäle und Flüsse ins Meer hinauf gepumpt werden. Damals wie heute sind diese Kanäle mit Abwasser und Müll verschmutzt und leiten diese ungefiltert ins Meer – Jakartas einziges Klärwerk kann lediglich zwei Prozent davon reinigen (vgl. https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/jakarta-in-indonesien-eine-millionen-metropole-versinkt-im-meer-a-1232208.html). Doch wie geht Jakarta mit dem Mangel an „gutem“ Wasser, dem Überfluss von „schlechtem“ Wasser und dem Versinken der Stadt um?
Die Trinkwasserversorgung wurde im Zuge des Neoliberalismus der 1990er Jahre privatisiert. Mittlerweile wurde der Verkauf als rechtswidrig erklärt, aufgrund des andauernden Rechtsstreits wird es aber noch dauern, bis Jakarta wieder die Hoheit über die Infrastruktur zurückerlangt. Bis dahin müsste die Versorgung mittels angeliefertem Wasser sichergestellt werden – eine teure Angelegenheit für Stadt und Bewohner:innen. Die Abwässer werden bereits laufend abgepumpt, bestehende Pumpen werden regelmäßig erweitert und gewartet. Aufgrund der korrupten Abwasser- und Müllversorgungsbetriebe ist es jedoch unwahrscheinlich, dass besagte Pumpen um Kläranlagen erweitert werden (vgl. https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/jakarta-in-indonesien-eine-millionen-metropole-versinkt-im-meer-a-1232208.html).
Wand oder Deich?
Um das Absinken zu stoppen, müsste sofort das Abpumpen des Grundwassers gestoppt werden, begleitet von Regulierungen für das Gewicht von Gebäuden. Doch die bereits erwähnte sozio-ökonomische Komponente des hohen Wasserpreises sowie die bestehende Korruption verhindert den Stopp und Ausbau von Alternativen. Daher gibt es bereits seit Jahrzehnten entlang der Küste eine Betonwand, die Gebiete vor Überschwemmungen schützen soll – die Sea Wall. Die Mauer muss laufend erneuert werden und ist keine dauerhafte Lösung. Von Überschwemmung betroffene Gebiete könnten abgesiedelt werden, jedoch bringt eine Absiedelungen in Sozialbauten soziale Konsequenzen mit sich. In den betroffenen Gebieten hat sich über die Jahrzehnte besonders die arme Bevölkerung angesiedelt. Bei einem Umzug würde sich deren Miete erhöhen – viele Menschen können sich das nicht leisten und würden obdachlos werden (vgl. https://www.deutschlandfunk.de/jakarta-versinkt-eine-stadt-graebt-sich-selbst-das-wasser-ab-100.html).
Deswegen wurde vor einigen Jahren beschlossen, einen 40 km langen Deich vor der Bucht Jakartas zu errichten. Das soll die Stadt vor dem Meer schützen und gleichzeitig neuen Raum für Wohnprojekte schaffen – jedoch für Luxusimmobilien und Marinas (vgl. https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/jakarta-in-indonesien-eine-millionen-metropole-versinkt-im-meer-a-1232208.html). Die Bauarbeiten haben bereits begonnen, eine erste kleine Sandanhäufung liegt bereits vor der Küste. Doch auch der Deich scheint nicht die richtige Lösung: sozio-ökonomische Auswirkungen, wie der weitere Weg für Fischer:innen bis zum Fang oder künftige Gated Communities auf den Sandinseln, sowie ökologische Schäden durch die Verschmutzung der künstlichen Lagune mittels Abwässer sind problematische Seiten des Projekts.
Alles neu ist auch keine Lösung für alle
Die indonesische Regierung scheint nicht überzeugt zu sein, dass Jakarta noch zu retten ist. Der amtierende Präsident Yoko Widodo beschloss 2017 die Errichtung einer neuen Hauptstadt in Ost-Kalimantan auf der Urwaldinsel Borneo. Die neue Hauptstadt Nusantara soll ein smartes grünes und naturkatastrophenfreies Utopia inmitten Indonesiens werden, jedoch müssen dafür große Teile von bestehenden Urwäldern abgeholzt und der Lebensraum von Orang-Utans und anderen gefährdeten Tierarten stark eingeschränkt werden (vgl. https://www.deutschlandfunk.de/jakarta-versinkt-eine-stadt-graebt-sich-selbst-das-wasser-ab-100.html). Bereits 2024 sollen die ersten Behörden und Verwaltungssitze und rund 200.000 Bewohner:innen Jakartas einziehen – die ärmere Bevölkerungsschicht Jakartas ist beim Umzug jedoch nicht eingeplant (vgl. https://www.spiegel.de/ausland/indonesiens-hauptstadt-und-megacity-so-soll-jakarta-vor-dem-wasser-gerettet-werden-a-394877cf-fc1a-43ff-b9a7-78b851058c99).
Jakarta soll weiterhin das Finanzzentrum des Landes bleiben – daher müssen die Rettungspläne für die Stadt rasch umgesetzt werden. Internationale Bau- und Infrastrukturfirmen arbeiten bereits an einer Lösung, einen richtigen indonesischen Masterplan gibt es bislang jedoch noch nicht (vgl. https://www.deutschlandfunk.de/jakarta-versinkt-eine-stadt-graebt-sich-selbst-das-wasser-ab-100.html). Kommendes Jahr wählt Indonesien eine:n neue:n Präsident:in (vgl. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172701.praesidentschaftswahl-indonesien-kampf-um-jokowis-nachfolge-angelaufen.html) – es bleibt spannend, welche Auswirkungen das auf Jakarta und seine Probleme haben wird.
Mit dem Vorhandenen arbeiten
Doch es gibt Menschen, die sich seit Jahrzehnten für die Bewohner:innen Jakartas stark machen und versuchen, bessere Lösungen zu finden. So zum Beispiel Vidya Tanny und Dina Tri Irawaty vom Rujak Center for Urban Studies. Sie betreuen mit vielen anderen das Projekt Kampung Akuarium, ein Sozialbau auf dem Gebiet eines ehemaligen Slums, das von Überschwemmung bedroht war. Gemeinsam mit den Bewohner:innen gelang es, ein hochwasserfestes Haus zu planen mit eigenem Wassersystem und ohne die zwischenmenschlichen Qualitäten des Bestandgebiets zu verlieren – z.B. durch die Errichtung in Split-Level-Bauweise oder die Möglichkeit, kleine Shops im Inneren des Hauses zu eröffnen. Ein wegweisendes Projekt, das Mut für die Zukunft Jakartas macht (vgl. http://achr.net/upload/downloads/file_230824171816.pdf).