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Shareconomy: Die Suche nach Heimatgefühlen im Internet

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Internettechnologie unterstützt bei der Organisation der eigenen Umgebung oder Nachbarschaft. Wie macht sich die Shareconomy in Sozialen Netzwerken breit?

Cool, lustig und immer gut drauf ist oft das Motto in Sozialen Netzwerken. Doch plötzlich werden Gemeinschaftssinn und Rückbesinnung auf persönliche Kontakte aus der Umgebung vermehrt Thema. Wie Sharingkonzepte und Nachbarschaft sich im Internet breit machen.

Wenn Hannes Jagerhofer, erfolgreicher österreichischer Event-Marketing Unternehmer, ein neues Unternehmen startet, das den leeren Platz bei Autofahrten zwischen Klagenfurt, Graz, Innsbruck, Salzburg und Wien für mitzunehmende Pakete vermittelt, dann ist die Shareconomy auch in Österreich angekommen. So erzählte Jagerhofer auf der ADV-Konferenz (13 Seiten PDF) letzte Woche, dass der größte Motivationsfaktor seiner FahrerInnen nicht das Geld sei, sondern die Freude der Menschen bei der Abholung und Zustellung von Aktentaschen, Eheringen oder Tierkäfigen. 5.000 registrierte checkrobin FahrerInnen, dutzende Nachbarschafts- und Gemeinschaftsgärten, Tauschbörsen wie usetwice oder foodsharing zeugen davon, dass neben den Kostenfaktoren neue Beweggründe für das Nutzen eines Angebots wichtig werden.

Shareconomy sucht Nachbarschaft

Das zurzeit international erfolgreichste Shareconomy Unternehmen dürfte airbnb sein, eine Vermittlungsplattform für freien Wohnraum. Seit 2009 wurden 8,5 Mio. Gäste an 34.000 verschiedenen Orten Wohnungen, Baumhäuser, Schlösser uvm. vermittelt. Geworben wird hier mit einzigartigen Reiseerlebnissen und dem Thema Nachbarschaft (sh. Bild).

Doch wie schaut es mit den Heimatgefühlen und Nachbarschaft in Sozialen Netzwerken wie facebook oder twitter aus, wo Millionen von BenutzerInnen ihren Gemeinschaftssinns durch Teilen, Liken und Kommentieren von Fotos, Links, Videos, Texten oder Veranstaltungen ausdrücken?

Mit der eigenen Demoversion dem Ego schmeicheln

Für die meisten NutzerInnen steht in Sozialen Medien das Phänomen der Selbstdarstellung noch vor dem Thema Nachbarschaft. Lara Fritsche hat es schön beschrieben: „Viele entwickeln eine Demoversion“ von sich selbst, mit der eine möglichst hohe Zustimmung von Freunden erreicht wird. Wer sich hier für maximale Aufmerksamkeit entscheidet, landet rasch in eindimensionaler Selbstdarstellung als Abenteurer, Partyqueen, Technikguru oder Tierliebhaberin.

Abseits von einem selbstgewählten Image, mit hunderten Freunden oder Followern über die ganze Welt verteilt, bleibt trotzdem die Frage offen, mit wem ich gerade jetzt, wo mir nicht nach Abenteuer, Party, Technik oder Haustier zumute ist, auf einen Café ums Eck gehen kann. So kommen NutzerInnen zu der Einsicht, dass ein allseits geschätztes und leicht verständliches Image zwar dem Ego schmeichelt, aber es zu einem tiefer gehenden Austausch mehr braucht. Sich mit Menschen aus der unmittelbaren geographischen Nähe austauschen zu können, scheint wieder der Wunsch vieler zu sein. Die steigende Zahl an regionalen Gruppen in facebook belegt das ebenso wie eine neue Generation der sozialen Netzwerke.

Nachbarschaft 2.0 hält Einzug in Sozialen Netzwerken

Das US-Unternehmen nextdoor legt den Community-Style von Facebook auf ein regionales Format aus und bietet für Städte und Regionen seit 2011 eigene Bereiche nach dem Modell Nachbarschaft 2.0 an. Bewohner einer Stadt, die sich zwar täglich über den Weg laufen, aber trotzdem nichts übereinander wissen, haben so die Möglichkeit, sich auf virtuellem Weg auch in der realen Welt zu vernetzen. Der Zugang ist limitiert, nur durch Nachweis des Wohnsitzes kann man sich anmelden.
Geografische Nähe ist dabei stets der ausschlaggebende Punkt: Ganz nach dem Prinzip der Shareconomy können sich Mitglieder zum Carsharing zusammenschließen, Babysitter vermitteln, übrig gebliebenes Essen abgeben oder klassische Kauf- und Tauschgeschäfte abschließen. Echtzeit-Nachrichten von Polizei und Feuerwehr aus der Nachbarschaft runden das Angebot ab und kommen dem Sicherheitsbedürfnis der US-BürgerInnen entgegen.

Mehr als vernetzen

Soziale Netzwerke mit nachbarschaftlichen Strukturen finden sich auch im deutschsprachigen Raum. seniorbook, ein ebenso 2011 gestartetes Unternehmen richtet sich an „Menschen mit Erfahrung“ ab 45 Jahren. Menschen aus der gleichen Region können ihre Lebenserfahrung und ihr Wissen miteinander teilen, gemeinsame Unternehmungen organisieren, sich bei Hilfsprojekten engagieren oder einfach nur miteinander plaudern. Das Konzept reicht also von Austausch über konkrete Nachbarschaftshilfe bis zur Bereitschaft, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben.

Heimat ist dort, wo ich „einchecke“?

Vor etwa drei Jahren versuchten soziale Netzwerke den Trend zum „Lokalen“ einzufangen und starteten Angebote, wo man mit seinem Mobiltelefon an physischen Orten „eincheckt“. Über foursquare oder facebook places gibt man bekannt, wo man sich gerade befindet, kommt darüber ins Gespräch oder trifft so mehr oder weniger zufällig Freunde. Doch wird damit das wachsende Bedürfnis nach Nachbarschaft und persönlichen Kontakte gestillt?

Alle diese Beispiele haben gemeinsam, dass Internettechnologie bei der Organisation der eigenen Umgebung oder Nachbarschaft unterstützt. Anwendungen dieser Art werden wir in den kommenden Jahren häufiger begegnen. Und natürlich bleibt es den BenutzerInnen überlassen, mit diesen neuen Werkzeugen mehr an der Imagepflege zu arbeiten oder darüber hinaus Ihr nachbarschaftliches Leben zu fördern.