Projekt
Ein neuer Platz im Herzen der Josefstadt – die Reise zur Neugestaltung des Josef-Matthias-Hauer-Platzes

Wie kam es zu dem eindeutigen Befragungsergebnis für die Neugestaltung des Josef-Matthias-Hauer-Platzes? Welche Erkenntnisse stecken in der Vorgeschichte? Wir lassen die Projektentstehung Revue passieren und teilen die Erkenntnisse.
Die Reise zur Neugestaltung begann im Jahr 2017. Schon damals war der Bezirk auf der Suche nach einer qualitätsvolleren Lösung für die große Zahl an Zu-Fuß-Gehenden am Platz. Und so wurde ein „Runder Tisch“ vom Bezirk einberufen. Ziel war einen tatsächlichen Platz mit Aufenthaltsqualität zu ermöglichen. Im nächsten Schritt folgte eine Machbarkeitsstudie. Sie gab Antworten auf die Frage, wie sich die Reduktion von unterschiedlichen Fahrspuren bzw. die Sperre auf den Verkehr der umliegenden Straßenzüge auswirkt.
Runder Tisch und Machbarkeitsstudie erheben Potenziale
Die Ergebnisse wurden 2018 mit den Bezirksrät:innen aller Fraktionen in der Bezirksentwicklungs- und Agendakommission besprochen. Die Kommissionen und Ausschüsse sind im Bezirk auch die üblichen Orte, wo die Stellungnahmen und der Austausch mit den Fachdienststellen oder bspw. mit den Wiener Linien und den Bezirksrät:innen erfolgt. In diese Phase der politischen und administrativen Suche nach Verbesserungen fällt auch die Lehrveranstaltung von Univ.-Prof. Martin Berger der TU Wien. Er begleitete 2019/2020 die Straßenraumentwürfe von rund 100 Studierenden für den Josef-Matthias-Hauer-Platz. Die Ergebnisse wurden der Bezirkspolitik wie auch den Fachdienststellen präsentiert und unterstützen die Ideenfindung und Meinungsbildung.
Studierende erweitern den Diskursraum
Mit dem Start der Arbeitsgruppe für die fokussierte Bearbeitung der Umgestaltung des Platzes im Oktober 2021 nimmt das Projekt nun Fahrt auf. In vier Terminen, die von meinen Kolleg:innen Liette Cless und Herbert Bork im Rahmen der Agenda Josefstadt gestaltet und moderiert wurden, konnten die Projektziele allparteilich abgestimmt wie auch der Gegenstand und Ablauf der Beteiligung fixiert werden. Das Vorgehen mündete in einem einstimmigen Beschluss der Bezirksentwicklungskommission am 21. April 2022 für die Neugestaltung des Platzes unter Einbindung der Menschen im Bezirk.
Einladung zur Mitgestaltung
Zwei Monate später lud die Agenda Josefstadt gemeinsam mit dem Jugendtreff Kochgasse alle Anrainer:innen zu einem Workshop am Platz ein. Ebenso konnten die eigenen Ideen in einer „Beteiligungswerkstatt“ im Bezirksamt eingebracht werden. Die häufigsten Nennungen in den beiden Formaten waren die Verkehrsberuhigung, ein Platz, auf dem man sich gerne aufhält und die klimagerechte Gestaltung. Regelmäßig wurde der aktuelle Projektstand in der Bezirksentwicklungskommission mit allen Bezirksrät:innen besprochen. Die technischen Rahmenbedingungen wurden gemeinsam erörtert und über mehrere Rückfrageschleifen konnte in Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Fachdienststellen Verbesserungen im Sinne der gemeinsamen Vision erreicht werden.
Die Transformation nimmt Gestalt an
2023 startete die Neuplanung des Platzes durch den Landschaftsplaner DI Paul Kandl. Dieser setzte seine Planungen auf den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung und den technischen Rahmenbedingungen, wie dem Verlauf der Gleise, auf. Die ersten Entwurfsplanungen zeigten die Transformation vom Verkehrsraum zu einem neuen Treffpunkt im Herzen des Bezirks. Über mehrere Sitzungen entwickelte sich ein allparteilicher politischer Konsens das Projekt umsetzen zu wollen und breit dazu zu informieren. Dabei sollten auch die im Norden angrenzenden Straßen an den Platz, die Albertgasse und Skodagasse bis zur Florianigasse, in die Planungen miteinbezogen werden. Zu dieser erweiterten Umgestaltung, bei der auch Stellplätze zu Gunsten von Begrünung, Bäumen, Fahrradbügel und Trinkbrunnen weichen müssten, sollte eine bezirksweit Befragung durchgeführt werden.
Niederschwellige Info, Befragung, Ausstellung, persönliche Termine
Nach Begleitung der Ausschussarbeit konnte DIALOGPLUS die vorliegenden technischen Informationen verständlich und detailliert aufbereiten. Wir entwickelten einen achtseitigen Folder und stimmten diesen Wort für Wort mit den Fraktionen in der Bezirksentwicklungskommission ab – ebenso die Postwurfsendung mit Begleitbrief, die Befragung zum erweiterten Projektgebiet samt Rücksendekuvert. Unabhängig von der Staatsbürgerschaft sendeten wir an 21.221 Bezirksbewohnende ab 16 Jahren das Info-Paket und den Abstimmungsbrief. Nun kamen die Renderings, die aus der Entwurfsplanung des Landschaftsplanungsbüro entstanden waren, zum Einsatz. Für die Arbeit vor Ort und im Internet entwickelten wir zusätzlich mit Claudia Marschall aus den technischen Detailplan eine leicht lesbare Planskizze. Zeitgleich mit dem Postversand bauten wir Anfang 2025 eine mehrwöchige Info-Ausstellung direkt neben dem Platz auf. Über alle Kanäle wurde zu zwei Informationsveranstaltungen direkt am Platz eingeladen. Das Angebot mit den Bezirksverantwortlichen, Fachdienststellen der Stadt Wien und den Planenden persönlich zu sprechen, wurde von rund 300 Personen angenommen.
Antworten der Befragung sind eindeutig: Veränderung ist gewollt!
Die Arbeit unzähliger Beteiligter der letzten Jahre hat sich jedenfalls ausgezahlt. Denn ein Rücklauf von rund 28% mit 5.942 Antworten, ohne politischer Polarisierung, ist selten. Im Schnitt liegt bei den sechs abgefragten Dimensionen (Bäume, Sitzgelegenheiten, Fahrradbügel, Trinkbrunnen, Verzicht auf Stellplätze sowie Veränderung) eine Zustimmung von 66% der Bewohnenden nun vor.
„Mir ging es immer darum, für den Platz und sein Umfeld das Beste herauszuholen. Mit politischem Taktieren kommt ein so großes Projekt für den Bezirk nicht weit. Es braucht Transparenz in der Ausschussarbeit zwischen Fachdienststellen und Bezirkspolitik“, so Markus Mondre, Ausschussvorsitzender der Bezirksentwicklungskommission.
Und was sagt jemand, der das Projekt lange am Rande der Politik im Rahmen der Agenda Josefstadt mit Bürger:innen begleitet hat?
„Rückblickend war es kein Fehler, dass mehr Zeit zur Umgestaltung vergangen ist. Denn nur so kann jetzt eine Variante umgesetzt werden, die auch tatsächlich eine höhere Klimawirksamkeit hat. Eine Lösung bei der sehr gute Platzqualitäten für die Menschen im Viertel entstehen und die aktive Mobilität zeitgemäß ermöglichen wird – ohne, dass bereits nach kurzer Zeit wieder nachgebessert werden müsste.“ so Liette Clees.
Was uns bei DIALOGPLUS an dem Projekt besonders aufgefallen ist? Es braucht eine gemeinsame Vision, damit über einen längeren Zeitraum auf Bezirksebene und im Zusammenspiel mit der Stadt ein solches Projekt auf breiter Basis entstehen kann.
Entscheidend: Die gemeinsame Vision für den Platz
Aus unserer Sicht braucht es die Entwicklung einer gemeinsamen Vision der handelnden Personen auf die neuen Qualitäten des Platzes. In unserem Fall war das von Anfang an die Gestaltung als neuer Treffpunkt und Erholungsraum im Herzen der Josefstadt. Eine gemeinsame politische Vision bringt den notwendigen Zusammenhalt im Projektteam und motiviert auch über technische, politische oder zwischenmenschliche Herausforderungen hinweg. Gerade bei so einem vielschichtigen Projekt, das viele Jahre bis zur Umsetzung unterwegs ist, kann die gemeinsame Vision der entscheidende Faktor für einen guten Ausgang der Reise sein.