Blogbeitrag

Ein Bürger:innen-Haushalt als Weg aus der Krise für Vorderstoder

Vorderstoder Agenda 21-Kernteam

Bürgerengagement wird in Vorderstoder großgeschrieben, so wurde der Ort im Jahr 2012 zum österreichischen Pionier in Sachen Bürgerhaushalt. Für ihre Projekte im Rahmen der Agenda 21 erhielt die Gemeinde einen ÖGUT-Umweltpreis und wurde nachhaltigkeit.at als österreichischer Vorzeigeprozess ausgezeichnet.

Bürger:innenhaushalte stehen in Österreich, gelinde gesprochen, nicht gerade auf der Tagesordnung. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet dabei ausgerechnet eine nur 779 Köpfe zählende Gemeinde in Oberösterreich: Vorderstoder. Bürger:innenengagement wird dort groß geschrieben. Neben diversen Agenda 21– Projekten wurde der Ort 2012 zum österreichischen Pionier in Sachen Bürger:innenhaushalt.

Den Anstoß für die Einführung eines Bürger:innenhaushalts gab neben dem Wunsch nach mehr Transparenz und Partizipation vor allem das Bemühen, dem Dasein als sogenannte Abgangsgemeinde (Gemeinden, die ihren ordentlichen Haushalt nicht ausgleichen können) etwas entgegensetzen zu können. Intelligentes Sparen wurde zum Ziel, um das vorhandene Geld strategischer und für die BürgerInnen in nachvollziehbarer Weise einsetzen zu können. Bürgermeister Gerhard Lindbichler bemerkte dazu in der OE1-Sendung Diagonal (14.9.2013): „Zuerst haben wir versucht, den Budgetvorschlag so darzustellen, dass man den auch verstehen kann.

Gesagt, getan: Der Bürger:innenhaushalt Vorderstoder tritt in Aktion

Der Startschuss war im April 2012 mit einer Informationsoffensive: Knapp, übersichtlich aufbereitet und mit Erklärungen zu den einzelnen Positionen versehen, bekam Vorderstoders Bevölkerung einen Crashkurs in Sachen Budget verpasst. Im Anschluss folgte der aktive Teil: Die Bürger:innen konnten über die zukünftige Schwerpunktsetzung und konkrete Projekte für den mittelfristigen Haushaltsplan diskutieren und sie nach ihren eigenen Prioritäten gewichten. In einer zweiten Diskussionsrunde im Mai 2012 entwickelten und sammelten Bürger:innen Ideen für bevorzugte Investionen sowie Einsparungsmöglichkeiten. Zusätzlich wurden Vorschläge eingebracht, wie sich die Bürger:innen selbst aktiv an den geplanten Projekten beteiligen könnten. Eine eigens dafür geschaffene Projektgruppe des lokalen Agenda 21-Projekts koordiniert die beschlossenen Umsetzungsschritte. 35 solcher Schritte wurden in dieser Weise insgesamt ausgearbeitet, die alle Teile des Gemeindelebens betrafen: Von der Renovierung des Wartehäuschens bis hin zur Sanierung des Wanderwegs.
Bestätigung erfuhr das Pilot-Projekt auch durch den Erhalt des Hauptpreises in der Kategorie „Partizipation und zivilgesellschaftliches Engagement“ durch die österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT).

Vielseitige Erfolge: Mit Kreativität und Zusammenhalt geht’s wieder bergauf

Doch damit nicht genug, zeigt die Zeit seit Beginn des Bürger:innenhaushalts noch viel weiter reichende Erfolge: Es erwachte eine neue Selbstverständlichkeit in der Bevölkerung, sich generell und auf allen Ebenen aktiv zu beteiligen, wie sich auch am Engagement für die Projekte der lokalen Agenda 21 ablesen ließ. Dazu erzählt Bürgermeister Lindbichler in Bezug auf seine Erfahrungen der letzten Jahre: „Seit wir Agenda 21 Gemeinde sind (Anm.: 2008), ist das Stimmungsbarometer in der Gemeinde steil nach oben gegangen, weil wir Dinge gemeinsam geschafft haben, die vorher nicht denkbar gewesen wären. (…) Die Bürger haben Baumaterial und ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, um die Brücke des lokalen Wanderwegs zu sanieren. Sonst wäre eine Sanierung finanziell für die Gemeinde nicht möglich gewesen. (..) Je mehr Entscheidungsspielraum und Kompetenzen du dem Bürger gibst, desto mehr dankt er es dir mit Optimismus und Einsatz für die Gemeinde und in seinem privaten und wirtschaftlichen Umfeld.“

Best-Practice-Beispiel: Bergladen Vorderstoder, der selbstgeführte Nahversorger

Ein besonders gelungenes Beispiel aus dem Vorderstoder „Agenda 21-Projekt-Pool“ ist der Bergladen pro Vorderstoder, der zum Gewinner des Klimaschutzpreises 2011 gekürt wurde. Von den Bürger:innen selbst initiiert, wurde die selbstgeführte Einkaufsmöglichkeit 2010 eröffnet, nachdem die örtliche Greißlerin aus gesundheitlichen Gründen schließen musste. Gegründet wurde ein Verein der die Geschäfte führt, die BürgerInnen selbst brachten das Geld für die Vorfinanzierung ein. Das so gewonnene Startkapital von 50.000 Euro wird in den folgenden fünf Jahren durch Warenleistungen zurückbezahlt. Pate für das Projekt stand nach erfolgreicher Umsetzung eines Dorfladens die oberösterreichische Gemeinde Klaus-Steyrling. Der Vorderstoder Bergladen hilft aber nicht nur im unmittelbaren Alltagsleben, sondern stärkt auch den gemeindeinternen Zusammenhalt und macht den BürgerInnen aus Vorderstoder Mut für die Zukunft: „Am Anfang war Resignation da, da wir Abgang haben und nur einen kleinen Teil selber beeinflussen können. Dann sind wir draufgekommen, dass wir mit Kreativität doch etwas bewirken können. Das Beispiel Nahversorgung im Bergladen zeigt auch, dass man mit einer Vision und ein paar helfenden Händen einiges bewegen kann“, berichtet Gerhard Lindbichler.

Pressemeldung: „Agenda 21 Vorderstoder als österreichischer Vorzeigeprozess ausgezeichnet“